Der Künstler Malte Taffner realisiert für Offene Welten das Kunstprojekt A Fragment of Eden, das zusammen mit einer dazugehörigen App ab Mai 2022 in Hannover entdeckt werden kann. Bereits jetzt beginnt sein utopischer Garten Eden auf dem Goseriedeplatz vor der Kestner Gesellschaft zu sprießen und wartet darauf, Mensch, Natur und Technik zusammenzubringen. Hier erzählt Taffner, wie das Projekt seinen Anfang nahm.
April 2021 | Metallwerkstatt, HBK Braunschweig
Mein Atelier habe ich gegen einen Arbeitsplatz in der Metallwerkstatt ausgetauscht. Seit Jahresbeginn stehe ich hier tagtäglich, um an der Arbeit BIOSHELL CRX3 zu arbeiten – einer Tankstation der Zukunft. Im Mittelpunkt steht der Prototyp für einen Raumanzug, in dem ein kleiner Garten wächst, der die tragende Person am Leben erhalten soll. Ein kleines abgeschottetes Ökosystem, welches das fragile Band der Abhängigkeit von Mensch und Natur darstellt. Ich bin am Sägen, Schleifen, Biegen und Schrauben, als mein Telefon klingelt. Inmitten der Arbeiten für meinen Meisterschüler lerne ich Adam Budak, den Direktor der Kestner Gesellschaft kennen, der mich über die nächsten Monate als Mentor begleitet. Unser erstes Treffen stellt den Auftakt für einen angeregten Austausch über meine künstlerische Praxis dar.
Juli 2021 | Mensa, HBK Braunschweig
Durch die meinen Arbeitsprozess begleitenden Gespräche mit Adam Budak kristallisiert sich mehr und mehr die schon lange in mir wachsende Vision eines Synthetic Eden heraus. Diese Vision formuliere ich erstmals während der Abschlusspräsentation meines Studiums:
Am Anfang dieser Fiktion steht ein Garten, ein halbnatürlicher Raum. […] Das übergeordnete Ziel ist es, Prozesse in Gang zu setzen und eine Infrastruktur zu schaffen, die die Verflechtung, die Koexistenz und den Austausch von Pflanzen, Tieren, Menschen und Maschinen ermöglicht. Was ich möchte, ist ein synthetisches Eden hervorzurufen. […] Ich stelle es mir als einen großen Spielplatz vor, mit lebenden Architekturen aus Pilzen und Pflanzen, eingebettet in landschaftliche Wogen. Verkehrswege bestehend aus stromerzeugenden Bodenplatten. Riesige Glaskuppeln mit künstlichen Klimata für eine Vielzahl von Pflanzen. Herumstreunende Tiere. Algenbecken als riesige Sauerstofftanks. Überall schlängeln sich elektronische Apparate, wuchern Pilze und tummeln sich Insekten, die sich gegenseitig befruchten und zusammenwachsen.
Ausgehend von dieser utopischen Fiktion male ich mir ein Zukunftsszenario für unsere Gesellschaft aus: weniger einen tatsächlichen Zustand, als etwas worauf ich in meiner künstlerischen Praxis hinarbeite.
August 2021 | Kunstverein Braunschweig
Nach einer zweijährigen Arbeitsphase ohne wirkliche Pause, bedingt durch mein Diplom, meinen Meisterschüler und die Corona-Pandemie, freue ich mich auf die Aussicht, nach meinem Abschluss erst einmal vogelfrei zu sein. Ohne große Verpflichtungen endlich mal wieder etwas Zeit für Freunde, Familie und mich selbst zu haben. So stehe ich wenige Wochen später bei der Eröffnung der Meisterschüler*innen-Ausstellung „Soft Capsules“ auf dem Hof der Villa Hospes. Gedankenverloren und leicht beduselt spiele ich an meinem Handy herum und checke mein E-Mail-Postfach:
Hi Malte,
würdest du vor der Kestner an Eden arbeiten?
Grüße,
Adam
Auch wenn ich meine lang ersehnte Auszeit dahinschwinden sehe, sage ich natürlich mit Freude zu. Mit Adams Antwort „Jetzt?!“ auf meine Frage, ob schon ein bestimmter Zeitraum ins Auge gefasst wurde, schwindet meine letzte Hoffnung auf eine kleine Auszeit vollends. Und so fängt die Reise an – Endstation: A Fragment of Eden.