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13 Schritte – Fünf Fragen an Omer Fast

13 Schritte – Fünf Fragen an Omer Fast

Der Künstler Omer Fast hat in Zusammenarbeit mit dem MGKSiegen, dem Marta Herford und IMAGINE THE CITY in Hamburg das Ausstellungsprojekt „13 Schritte“ ins Leben gerufen. In der heutigen „Fünf Fragen an“ Interview-Reihe wird die Entstehung des Werks, die Namensgebung, die tiefgehenden Gedanken, die hinter „13 Schritte“ stecken, von Omer Fast näher beleuchtet.


Omer, dein Film wird an öffentlichen Orten wie einem verlassenen Schuhgeschäft im Shoppingcenter in Siegen, einem vermeintlichen Aktivisten:innen-Camp in der Bibliothek in Herford und einem verlassenen Büro in Hamburg gezeigt. Wie unterscheidet sich das Arbeiten im öffentlichen Raum von klassischen Kunsträumen und was interessiert dich daran? Wie stehen die Orte und die Inszenierungen in Verbindung mit deinem Film?


Zeitgenössische Kunstausstellungen ziehen selten ein diverses Publikum an und spiegeln fast immer eine ähnliche politische Einstellung wider. Obwohl ich selbst politisch keineswegs radikal eingestellt bin, finde ich diesen Konformismus und fehlenden Pluralismus problematisch. Die erste Arbeit, die ich nach dem Kunststudium machte, bestand darin, die Tonspur von VHS-Kassetten zu verändern, die ich in verschiedenen Blockbuster Videotheken in New York ausgeliehen hatte. Ich hatte keine Möglichkeit, herauszufinden, wer das Werk gesehen hatte oder was sie davon hielten, aber ich lasse mich immer wieder von dieser Art der Intervention im öffentlichen Raum inspirieren, weil es die einzige Möglichkeit ist, ein anderes Publikum zu erreichen. Mit „13 Schritte zur Befreiung Deutschlands“ wollte ich meine Arbeit wieder aus dem schützenden Kokon des Museums herausholen und in eine verletzlichere und direktere Begegnung mit einem ahnungslosen Publikum bringen. Ich nehme an, der Impuls ist dem nicht unähnlich dem, was Aktivisten tun, wenn sie einen öffentlichen Raum besetzen, obwohl die Arbeit, die ich gemacht habe, ziemlich zweideutig ist.


In einer stark von sozialen Medien geprägten Zeit entscheidest du dich, nicht daran teilzunehmen. Wie schaust du auf die heutigen Medienwelten und wie steht deine Arbeit im Verhältnis dazu?


Ich fühle mich zunehmend wie ein Dinosaurier und weiß, dass der Verzicht auf soziale Medien naiv und ludditisch, vielleicht sogar selbstverliebt ist. Aber so sehr ich persönlich diese Plattformen dafür verabscheue, wie sie den Dialog verzerren und den Hass verstärken, so sehr beschäftige ich mich immer wieder mit dem Thema in Dokumentarfilmen, in denen es um Moderatoren von Webinhalten, militärische Drohnenbetreiber und Polizisten geht, die in der Überwachung arbeiten. Diese Menschen sind meist unsichtbar und dürfen nicht über ihre Arbeit sprechen. Wie Geister in der Maschine werden sie symbolisch wichtig bleiben, auch wenn künstliche Intelligenz sie irgendwann ersetzen wird.


Warum heißt der Film 13 Schritte zur Befreiung Deutschlands? Wovon muss Deutschland befreit werden und was bleibt dann übrig?


Der Titel des Werks stammt von einer Internetseite, auf der die dreizehn Schritte aufgelistet sind, die notwendig sind, damit Deutschland zu seinen kaiserlichen Grenzen und seiner Regierung zurückkehren kann. Dies ist ein extremes nationalistisches Projekt, das leicht als gestörte Fantasie abgetan werden kann. Aber es teilt mit vielen jüngeren und erfolgreicheren Bewegungen in den westlichen Demokratien, vom Brexit über MAGA bis zur AfD, den Impuls der Wiederbelebung einer Vergangenheit, die offiziell für tot erklärt wurde, aber irgendwie wieder herumtaumelt und das bedroht, was eigentlich eine rationale, aufgeklärte Zukunft hätte sein sollen. Mary Shelley hat einen sehr schönen Roman darübergeschrieben. Hito Steyerl hat in “Ein Panzer auf einem Sockel” darübergeschrieben, wie sich das in Museen und in der Kunst auswirkt. In meinem Film sehen wir mehrere Szenen, in denen die Zeit stillzustehen scheint, zitternd und heimgesucht von der untoten Vergangenheit, die kurz davor ist, wieder ins Bild zu kommen und die Gegenwart zu übernehmen.


Was verbindet die Filmszenen miteinander? Wie wurden sie ausgewählt?


Jede Szene stellt einen Moment der Übermittlung dar, in dem kritisches Wissen weitergegeben oder eine wichtige Botschaft vermittelt wird. So stehen in einer Szene Klimaaktivisten Museumsbesuchern und -wächtern gegenüber, während in einer anderen Szene der Erzengel Gabriel vor der Jungfrau Maria erscheint. In jeder Szene des Films versteckt sich irgendwo ein kleines Bild, das die folgende Szene sowohl darstellt als auch vorwegnimmt. Dieses Bild-im-Bild könnte ein Gemälde an einer Wand, ein Foto auf einem Mobiltelefon, ein Überwachungsbildschirm in einem Sicherheitsraum oder sogar eine leicht geöffnete Tür in einem Keller sein. Sobald die Kamera dieses verborgene Bild entdeckt, zoomt sie es langsam heran, wie von einer unsichtbaren Kraft angezogen, bis sie vollständig in das Bild eindringt und die nächste Szene beginnen kann. Wenn wir uns ein Foto oder ein beliebiges Bild als einen eingefrorenen Augenblick vorstellen, der einen vergangenen Moment festhält (Roland Barthes verbindet den Akt des Betrachtens mit dem Tod und der Trauer), dann stellen diese Standbilder einen vergangenen Moment dar, der sich weigert, zu sterben und betrauert zu werden, sondern stattdessen den gegenwärtigen Moment in Besitz nimmt (wie ein Zombie oder ein Geist), ihn besetzt und übernimmt.


Die Filmszenen zeigen langsame, fast still gestellte Szenen. War es schwierig, sie zu filmen? Welche Bedeutung hat die Stille im Film?


Stille ist wichtig, weil sie uns Zeit zum Schauen gibt. Dazu sind wir weniger in der Lage, wenn die Dinge in Bewegung sind und die Uhr tickt. Die Stille in diesem Film ist aber ganz offensichtlich schlecht, denn niemand hält wirklich still, schon gar nicht die Kinder. Und das ist vielleicht der kleine komödiantische Subtext, der sich durch den ganzen Film zieht: Ein lebender Körper bietet sich nicht zur Beobachtung an wie ein Stillleben. Er wird immer zittern und zucken und sich damit jeder Aufforderung zum Stillhalten und – wohl auch – der Beobachtung und Objektivierung entziehen.


Die Ausstellung „13 Schritte“ kann sowohl vor Ort in Siegen, Herford und Hamburg, als auch online auf https://13schritte.offenewelten.de besucht werden.

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