DURCH MICH GEHT MAN HINEIN ZUR STADT DER TRAUER
Im Anfang war nicht das Wort. Im Anfang war die Krise.
Berliner Winter 2012. Kohleofen-Hinterhof-Atelier. Verloren meine Inspiration seit 4 Jahren. Am absoluten Nullpunkt angekommen. Besuch eines Freundes. Dennis, geh nach Los Angeles. Eine Stimme der Vernunft! Ich spüre, er hat recht.
DURCH MICH GEHT MAN HINEIN ZUM EWIGEN SCHMERZE
Ich brauche ein Stipendium. Und eine Idee. Ich baue ein Update von Rodins Höllentor am Ende der westlichen Zivilisation – Kalifornien. Ich bin derart inspiriert, ich setze noch einen drauf! Das Portal muss die Schwelle zweier Realitäten sein. Zwischen Himmel und Hölle stehend. Anwesend und abwesend zugleich! Ellen Blumenstein schreibt mir den brillanten Bewerbungstext und die Jury des MAK Schindler Stipendium Los Angeles … lehnt meinen Antrag ab. Nicht realisierbar. Ich nehme mein letztes Geld und kaufe mir ein one-way Ticket nach LAX.
DURCH MICH GEHT MAN ZU DEM VERLORENEN VOLKE
Kaum in Los Angeles angekommen, bin ich ein Magnet. Alles fliegt mir zu. Vom Flughafen direkt nach Santa Monica zur Party des Regisseurs Dietrich Brüggemann in der Villa Aurora. (Da hatte ich mich erst gar nicht beworben.) Im Hineingehen stürze ich einen Cocktail aus Gin und Jet Lag hinunter und erzähle jedem, der zuhört I came here to build a portal between heaven and hell. Ich weiß nur noch nicht wo. You have to build this portal in California City!
GERECHTIGKEIT TRIEB MEINEN HOHEN SCHÖPFER
Ich bin berauscht. Ohne zu schlafen, fahre ich direkt nach California City, in die Wüste, 1 1/2 Stunden nördlich von Los Angeles. Take the 10 to the 5 to the 14. Der schönste Ort, den ich je gesehen habe. 127km² leerer Straßen mitten im Nirgendwo. Mit Straßenschildern, Hydranten und Cul de Sacs. Eine gescheiterte Utopie eingraviert wie Petroglyphen in den heißen Wüstensand, ein Negativ von Los Angeles und dazu noch größer. So sieht das Ende der Welt aus.
GESCHAFFEN HAT MICH DIE ALLMACHT GOTTES
Gegen Mittag entdecke ich, dass doch Menschen in dieser grandios gescheiterten Städteplanung leben. 14.000. Das müssen die letzten Menschen nach dem Ende der Geschichte sein. Mitten im Zentrum dieser kalifornischen Version von Twin Peaks steht das City Council. The Heart of Darkness. Dort spreche ich öffentlich vor dem Bürgermeister und den Vertretern der Stadt.
“Hello, my name is Dennis Rudolph. I am from Berlin in Germany and I came here to build a portal between heaven and hell on one of the two desert buttes.”
DIE HÖCHSTE WEISHEIT UND DIE ERSTE LIEBE
Ab hier beginnt ein 5 (fünf) jähriger Abstieg aus euphorischen Höhen in die bürokratischen Tiefen einer amerikanischen Kleinstadt und ich wandele durch die Institutionen wie durch das leere Straßennetz California Citys. Fünf Jahre lang scheitere ich fortwährend, mein Projekt zu verwirklichen.
VOR MIR IST KEIN GESCHAFFEN DING GEWESEN
Ein Kunstprojekt im öffentlichen Raum. Die Hölle eines jeden Künstlers. Vor allen Dingen in Amerika, wo es gar keinen öffentlichen Raum gibt. Von Kunstförderung ganz zu schweigen. In meiner Verzweiflung versuche ich sogar, das Projekt als socially engaged practice der lokalen High School zu verkaufen. (Fun fact: That’s a great idea heißt Was für ein Schwachsinn und Let’s have lunch sometime bedeutet Rufen Sie mich nie wieder an.)
NUR EWIGES UND ICH MUSS EWIG DAUERN
2017. Das Projekt ist endgültig gescheitert. Mir wird klar: Kalifornien ist eine Hölle, in der immer die Sonne scheint. Gebrochen sitze ich in der Einöde der Mojave Wüste, im letzten Höllenkreis angekommen. In diesem Moment erscheint mir der Teufel.
LASST, DIE IHR EINTRETET, ALLE HOFFNUNG FAHREN
Und er nimmt mich an die Hand und führt mich hinauf zum Kalvarienberg! Konkreter zum nächsten Best Buy, wo ich eine Virtual Reality Brille kaufe und Das Portal in einem VR 3D Malprogramm male und mit einer GPS basierten Augmented Reality App für das Handy genau auf den Desert Butte platziere. Anwesend und abwesend zugleich steht es nun auf der Schwelle zwischen zwei Realitäten: der Virtual Reality und unserer.
DAS ENDE DER GESCHICHTE
Ich stehe also auf dem Berg am Ende der Welt mitten in der Mojave Wüste mit meinem neuen iPhone, die Engel singen Halleluja, dass mir die Sinne vergehen, unter mir liegen die leeren Straßen California Citys, vor mir leuchtet Das Portal in allen Regenbogenfarben und auf einmal klingelt das Telefon. Ellen Blumenstein ruft an. Können wir Das Portal nicht am U-Bahnhof Elbbrücken aufstellen, so dass man sich direkt von der HafenCity nach California City teleportieren kann? Quasi als fiktive Promotion einer Städtepartnerschaft beider Planstädte? Klar geht das.